Montag, 7. Januar 2013

Podcasts zu ACTA und Lobbyismus

Lobbyismus:


#123: Lobbyismus - Podcast von Greenpeace Berlin zum Thema Lobbyismus. (Quelle: http://www.podcast.de/episode/175820649/%2523123%253A%2BLobbyismus#)



Lobbyismus - Wann beschädigt er die Demokratie? Wann beschädigt er die Demokratie? Gespräch mit dem Lobbyismusexperten und Politologen Prof. Rudolf Speth, Uni Kassel



Weitere Links zu Podcasts über Lobbyismus:

Deutschlandfunk:

Auf die Ware Freundschaft zwischen Politik und Wirtschaft!
Die Kunst der Lobbyarbeit
Von Till Reiners

Netz-Experte warnt vor Re-Nationalisierung des Internets
Wolfgang Kleinwächter über die ITU-Konferenz in Dubai
Moderation: Dieter Kassel


Medienradio.org:

LobbyControl (abspielen)Ulrich Müller hat mit anderen vor fünf Jahren LobbyControl gegründet. Ein Gespräch über Lobbyismus und was man gegen Kunstrasen machen kann. (Quelle: http://medienradio.org/mr/mr029-lobby-control/)



ACTA:



NK07 – Lobbyismus HowTo - Podcast zur Netzpolitik und Netzkultur aus Österreich (Quelle: http://www.podcast.de/episode/171316089/NK07%2B%25E2%2580%2593%2BLobbyismus%2BHowTo)


ACTA, Netzneutralität und Netzzensur 
(in Popup abspielen | Download)
Der Netzpolitik-Podcast Folge 116 ist ein rund 53 Minuten langes Gespräch mit Jeremie Zimmermann über La Quadrature du Net, ACTA, Netzneutralität, Netzzensur, sowie die Hadopi-Gesetzgebung und die Vorratsdatenspeicherungsdebatte in Frankreich. (Quelle: https://netzpolitik.org/2012/npp116-jeremie-zimmermann-uber-acta-netzneutralitat-hadopi/)


Playlist - Songs zum Thema ACTA:


Samstag, 22. Dezember 2012

ACTA & Lobbyismus - Ethik-Probleme der Online-Kommunikation?


Rüdiger Funiok, Professor für für Kommunikationswissenschaft, Pädagogik und Erwachsenen-pädagogik an der Hochschule für Philosophie in München, hat insgesamt neun Ethik-Probleme der Online-Kommunikation identifiziert (vgl. Funiok 2007: 179). Dieser Blogpost klärt kurz, welche Probleme auf die ACTA-Debatte zutreffen.

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Das erste von Funiok beschriebene medienethische Problem ist das der „Beschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit“ (vgl. ebd. 2007: 179). Diese Beschränkung kann im Laufe der ACTA-Verhandlungen auf zweierlei Weise nachgewiesen werden. Zum einen, wie oben dargestellt, hätte ACTA zu vermehrten Strafverfolgungen und stärkerer Kontrolle von Seiten der Provider und der Regierungen führen können. In Folge hätten Strafverfolgungen unter anderem auch politisch motiviert sein können, was wiederum eine Einschränkung der Meinungsfreiheit nach sich gezogen hätte. Auch die mögliche Kontrolle von Informationen im Zuge eines ACTA-Abkommens hätte zu Problemen im Sinne von Funiok führen können: Wer darf welche Informationen aus welchem Grund haben bzw. weitergeben? Kann man durch eine ständige Kontrolle des Internets noch von
Meinungs- und Informationsfreiheit sprechen?
Zum anderen beschränkte auch die lobbyistische Einflussnahme der VerbandsvertreterInnen und deren exklusiver Zugang zu politischen Entscheidungsträgern diese Freiheiten. Inhalte der geführten Lobbygespräche waren und sind nicht öffentlich zugänglich, sodass mögliche Interessenkonflikte nur in Ausnahmefällen sichtbar werden und somit auch in diesem Zusammenhang nicht von einer Informationsfreiheit gesprochen werden kann. Wenn politische Entscheidungsträger vor allem auf Informationen von Lobbyisten der Unterhaltungsindustrie zurückgreifen und auf der anderen Seite keine Interessenvertretung durch das wahlberechtigte Volk zulassen, kann auch nicht von einer wirklichen Meinungsfreiheit gesprochen werden, da an der entscheidenden Stelle, an der politische Entscheidungen getroffen werden sollten, nur die Meinung der Industrievertreter zählt. Mit dem Aufkommen der späteren Massenproteste veränderte sich dieses Bild, da die politischen Entscheidungsträger durch die Anerkennung der Proteste auch schrittweise eine gewisse Form von Meinungsfreiheit zuließen.
Der zweite von Funiok beschriebene Bereich umfasst die "Achtung vor dem Selbstbestimmungsrecht über die Daten zur eigenen Person" (ebd. 2007: 179). Diese Debatte um den Datenschutz findet sich ebenfalls zu großen Teilen in der ACTA-Debatte wieder. Durch mögliche neue Überwachungsmethoden der Provider und deren Fähigkeit, Dateien zu kontrollieren, würde der Datenschutz der Internetnutzer nicht mehr gewährleistet sein. Der Nutzer könnte in diesem Falle nicht mehr selbst bestimmen, welche persönlichen Daten oder Dateien zum Schutz seiner Privatheit nicht weitergegeben oder kontrolliert werden.
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Funioks dritter Punkt der Urheberrechte ist in dieser Betrachtung von ACTA und dem Lobbyismus in gleicherweise von Bedeutung: Die Urheberrechtsdebatte bezieht Funiok zum einen auf die private Nutzung (vgl. ebd. 2007: 179) und zum anderen auf die sog. „Sozialpflichtigkeit geistigen Eigentums“ (ebd. 2007: 179), d.h. dass man während des Gebrauchs des privaten Eigentums das Gemeinwohl nicht aus den Augen verliert und dieses nicht schädigt. Vielmehr soll das Gemeinwohl zusätzlich unterstützt werden. Durch ein internationales Abkommen im Sinne von ACTA sollten die Urheberrechte der Plattenfirmen und Musikmarken gestärkt und länderübergreifend geschützt werden. Produktpiraterie und -imitate, sowie illegale Downloads sollten durch internationale Schutzrechte für geistiges Eigentum eingeschränkt werden. Das Einführen dieser Schutzrechte bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass das Gemeinwohl beschränkt wird. Denn es scheint sehr fragwürdig, dass illegale Downloads und freier Zugang zu jeglichem geistigen Eigentum durch das Gut Gemeinwohl gedeckt sind. Gemeinwohl bedeutet in diesem Zusammenhang eher die generelle Möglichkeit des Zugangs zu geistigem Eigentum und nicht die kostenfreie Nutzung dessen. Medienethisch problematisch ist in diesem Sinne folglich eine barrierefreie Zugriffsmöglichkeit. Eine Debatte um die Kostenpflichtigkeit und damit auch die mögliche Illegalität der Nutzung bestimmter Dienste ist unabhängig von der angesprochene Zugänglichkeit zu führen.
Diese "allgemeine und preisgünstige Zugänglichkeit zu Software und Informationen" (ebd. 2007: 179) im Sinne Funioks wäre durch ACTA berührt worden. Durch eventuelle Urheberrechtsbeschränkungen hätten grundlegende Informationen und Software blockiert bzw. deren Zugänglichkeit eingeschränkt werden können. Im einem weiteren Verständnis hätte dieser Gedanke sogar noch realere Konsequenzen haben können, denn durch ACTA und dessen vorgesehenen Urheberrechtsschutz hätten sich unter anderem auch die Zugangsmöglichkeiten zu lebenswichtigen Medikamenten verändert (Amnesty International 2012).

Die weiteren Ethik-Probleme Funioks können ebenfalls auf die ACTA-Debatte angewandt werden, sind jedoch nicht von zentraler Bedeutung.


Literatur:

Amnesty International (2012): EU DARF ACTA NICHT UNTERZEICHNEN, in: http://www.amnesty.de/2012/2/14/eu-darf-acta-nicht-unterzeichnen?destination=startseite, zugegriffen am 22.12.2012.

Funiok, Rüdiger (2007): Medienethik. Verantwortung in der Mediengesellschaft. Stuttgart: Kohlhammer.

Montag, 19. November 2012

Samstag, 10. November 2012

Playlist: Lobbyismus - national und international




Eine kleine Auswahl an Videos zum Thema "Lobbyismus". Besonders interessant ist in diesen Zusammenhang auch die jüngste Entwicklung der sog. "Digital Public Affairs" - eine neue Art der Interessenvertretung. Diese zeichnet sich durch die Prinzipien der Transparenz, Offenheit, Dialog, Authentizität und Kollektivität aus. Ob diese öffentliche Einflussnahme allerdings als digitaler Lobbyismus bezeichnet werden kann, ist bislang nicht abschließend geklärt. Vorreiter dieser Interessenvertretung ist der Blog "UdL Digital" der E-Plus Gruppe (http://www.udldigital.de/).

Mehr dazu bei:

Einspänner, J. (2010): Digital Public Affairs - Lobbyismus im Social Web. In: Bender, G. & Werner, T. (Hrsg.): Digital Public Affairs - Social Media für Unternehmen, Verbände und Politik. Berlin: Helios Verlag.


Playlist: Informationen zu ACTA




Zwar ist ACTA ad acta gelegt, dennoch gibt es weiterhin Bestrebungen von einzelnen Nationalstaaten, dem Internet sogar noch größere Fesseln anzulegen. Anfang Dezember 2012 tagten in Dubai VertreterInnen aus 193 Ländern, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft und haben über die Regierbarkeit des Internets diskutiert. Autoritäre Regime wie China und Russland forderten u.a. die Kontrolle des Internet-Datentransfers und damit auch eine gewisse Renationalisierung des internationalen Internets.

Mehr zum Thema hier:

Spiegel Online (2012a): Netz-Gipfel. Autoritäre Staaten drängen auf Internet-Kontrolle, in: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/itu-gipfel-autoritaere-staaten-draengen-auf-internet-kontrolle-a-871816.html (zugegriffen am: 10.12.2012).

Spiegel Online (2012b): ITU-Konferenz in Dubai. Darum geht es beim Internetstreit, in: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/itu-konferenz-in-dubai-zerren-an-der-internet-leitung-a-870964.html (zugegriffen am: 10.12.2012).

Sonntag, 4. November 2012


ACTA: Einfluss durch die Hintertür?


„ACTA ist gut für Europa“ (vgl. Meister 2012) – so lautete das Statement von mehr als 45 Wirtschaftsverbänden aus Musik, Film, Verlagswesen, Software und Markenschutz in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Europaparlaments. In dem Brief vom 10. Februar 2012 machten die Befürworter des „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ (zu deutsch: Anti-Piraterie-Abkommen oder Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen) deutlich, dass ihnen die Umsetzung des multilateralen Abkommens im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen und Produktpiraterie äußerst wichtig ist. Die Verbände wollten mit ACTA ihre Marken- und Urheberrechte besser schützen und durchsetzen, sowie deren Nachahmung und Fälschungen stärker unterbinden (vgl. tagesschau 2012).

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Zur selben Zeit gingen tausende Menschen Woche für Woche auf die Straße und protestierten gegen dieses Vorhaben der Verbände (vgl. Handelsblatt 2012).
Der Schlagabtausch endete im Juli 2012 mit der Ablehnung von ACTA durch eine große Mehrheit im Europäischen Parlament.

Während und teilweise sogar erst nach den ACTA-Verhandlungen wurde bekannt, dass Unternehmenslobbyisten vermehrt Einfluss auf die Entscheidungsträger der einzelnen Länder und der EU genommen hatten (vgl. LobbyControl 2012). Diesem Einfluss widmet sich dieser Blog.


ACTA: Höhepunkte im Verhandlungsverlauf


Die Idee zu einem globalen Abkommen zum Schutz von Urheber- und Markenrechten entstand im Jahr 2006 in den USA (vgl. Anonymous Hamburg 2012). Im Oktober 2007 wurden erstmals offizielle Verhandlungen über ein mögliches Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen angekündigt. Die damaligen Teilnehmerstaaten waren die „USA, EU, Japan, Südkorea, Mexiko, Neuseeland, Schweiz und Kanada“ (ebd. 2012). Mitte 2008 begannen dann die ersten Verhandlungsrunden in der Schweiz, den USA, Japan und Frankreich.

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Das Abkommen hatte das primäre Ziel, „Produktpiraterie - auch im Internet - zu bekämpfen.“ (tagesschau 2012). Dabei handelte es sich vor allem um die Musik und Filme der Unterhaltungsindustrie. Mit ACTA sollten der Handel und die Entwicklung der Weltwirtschaft geschützt werden. Sogar die illegale Herstellung „gepanschter und damit gefährlicher Medikamente“ (tagesschau 2012) wäre ein Fall für ACTA gewesen.

Die Teilnehmerstaaten hatten strengste Vertraulichkeit über den Stand der Verhandlungen vereinbart. Dennoch gelangten Anfang 2009 Teile von Gesetzesentwürfen an die Öffentlichkeit. Sowohl die Geheimhaltung als auch die ersten Ergebnisse der Verhandlungen sorgten in der (medialen) Öffentlichkeit für Aufsehen. (vgl. Acta-blogger 2012). Der dadurch entstandene Druck in der Öffentlichkeit führte in den folgenden Jahren dafür, dass auch die Ergebnisse der ersten Verhandlungsrunden veröffentlicht wurden (vgl. LobbyControl 2012).

Dennoch unterzeichneten am 26. Januar 2012 „22 EU-Staaten und die Europäischen Kommission in Tokyo das ACTA-Abkommen“ (Europäisches Parlament 2012). Das Vertragswerk konnte jedoch erst in Kraft treten, wenn auch das EU-Parlament zugestimmt hat. Besonders brisant: Neben den bereits erwähnten intransparenten Verhandlungen versuchten auch Lobbyisten der Unterhaltungs-, Software- und Pharmaindustrie Einfluss auf die ACTA-Verhandlungen zu nehmen (vgl. LobbyControl 2012).


Vom Lobbyisten zum Politiker und zurück - Drehtür ACTA:


Personalien:


Stanford McCoy - Der Verhandlungsführer der USA arbeitete vor seinem politischen Engagement bei der Anwaltskanzlei Covington & Burling, die u.a. Klienten in Urheberrechtsfragen und Produktpiraterie vertrat (vgl. LobbyControl 2012).

Kira Alvarez – Alvarez war „Deputy Assistant USTR for IP Enforcement“ in den ACTA-Verhandlungsrunden, zuvor jedoch „Vize Präsidentin der Global Public Police-Abteilung bei Time Warner und Lobbyistin für den Pharmakonzern Eli Lilly“ (LobbyControl 2012).

Maria Martin-Prat – Martin-Prat wurde Anfang 2011, Mitten im ACTA-Aushandlungsprozess, Referentin für Urheberrecht der EU-Kommission. Martin-Prat war davor Lobbyistin des Musikindustrieverbandes IFPI (vgl. LobbyControl 2012).

Allgemeine Fakten:


Insgesamt haben im Laufe des ACTA-Prozesses 75 Lobbygruppen EU-Parlamentarier dazu aufgefordert, ACTA zu unterstützen (vgl. Zimmerling 2012).

Knapp 60 Prozent dieser Lobbyverbände waren zum damaligen Zeitpunkt nicht im offiziellen Lobbyregister der EU zu finden (vgl. Zimmerling 2012).

Zudem wurden Vertreter der durch ACTA betroffenen Industrien regelmäßig über den aktuellen Stand der Verhandlungen informiert (vgl. Knowledge Ecology International 2012).


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Dennoch gelang es den ACTA-Befürwortern nicht, eine schnelle Ratifizierung durchzusetzen – auch, weil der öffentliche Druck immer größer wurde. Im Dezember 2011 fertigte die EU erstmals ein Rechtsgutachten zu ACTA an, machte dieses später allerdings nicht öffentlich. Es folgten verweigerte Ratifizierungen in Tschechien, Slowenien, Deutschland, Lettland, Slowakei, Litauen und Holland (vgl. Anonymous Hamburg 2012). Gleichzeitig wuchs die Bewegung auf der Straße. Im Januar 2012 kam es zu Massenprotesten in europäischen Großstädten, im Februar sogar zu zwei europaweiten Demonstrationen. Schließlich scheitert ACTA im Europäischen Parlament.



Lobbyismus: Nutzen und Gefahr der gezielten Einflussnahme


Lobbyismus ist in der wissenschaftlichen Debatte ein umstrittener Begriff. Die Politikwissenschaftler Leif und Speth sehen in der gezielten Interessenvertretung eine Gefahr für die Demokratie, da „die ungleiche Verteilung der Macht auf die verschiedenen gesellschaftlichen Interessen […] den durch Wahlen artikulierten politischen Willen“ (Leif / Speth 2010) gefährdet. Kurzum: Lobbyisten unterlaufen die Prinzipien der parlamentarischen Demokratie (vgl. Leif / Speth 2006).

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Andere wiederum, wie Johannes Piepenbrink (Mitarbeiter der Bundeszentrale für politische Bildung) sehen im Lobbyismus die Notwendigkeit für einen „fairen Wettbewerb“ (Piepenbrink 2010: 2) und stützen sich dabei auf die Notwendigkeit der Interessenvertretung und -artikulation in der Demokratietheorie – Recht bekommen sie dabei teilweise sogar von ihren schärfsten Kritikern (vgl. Borstel / Wetzel 2010).

Der Autor versucht sich dieser normativ aufgeladenen Diskussion bewusst zu entziehen und verwendet deshalb eine einfache Begriffsbestimmung. Lobbyismus wird in diesem Blog als „der Versuch der Beeinflussung von Entscheidungsträgern durch Dritte“ (Fischer 1997: 95) verstanden, indem diese auf informelle und direkte Art und Weise versuchen, ihre Interessen und Anliegen in den politischen Entscheidungsprozess einzubeziehen.


Das medienethische Problem


Die dargestellten Informationen zu ACTA und Lobbyismus führen nun auch aus medienethischer Sicht zu einigen Unklarheiten. Zwar ist ein illegaler Download strafbar – ähnlich wie das Stehlen von Gegenständen aus Einzelhandelsunternehmen – dennoch sahen ACTA-Gegner in dem Abkommen eine Art Zensur des Internets und damit gleichzeitig auch eine Gefahr für die allgemeine Freiheit. Die daraus resultierende Frage nach der Freiheitseinschränkung des bestohlenen Unternehmens wurde in diesem Zusammenhang nur selten gestellt. Ist das Recht des sog. „Rechteinhabers“ nicht ähnlich hoch anzusiedeln wie das Recht der freien Bewegung im Internet?

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ACTA-Gegner argumentierten, das Abkommen könnte dazu führen, dass Internet-Provider beginnen, ihre Nutzer systematisch zu überwachen (vgl. Tagesschau 2012). Folgt man diesem Vorwurf, könnten einzelne Unternehmen über Inhalte und damit auch über die Meinungsfreiheit im Internet entscheiden. Zudem könnten dadurch fundamentale Rechte wie der Schutz der Privatsphäre, Datenschutz und die angesprochene Meinungsfreiheit langfristig den Interessen Einzelner unterliegen. Kritiker befürchteten des Weiteren, dass „geringfügige Vergehen kriminalisiert“ (tagesschau 2012) werden könnten (vgl. Tagesschau 2012).

Dass dies Realität werden kann, zeigt Russland in diesen Tagen. Dort werden durch ein neues Gesetz Technologien eingesetzt, die „den gesamten Internet-Traffic aller in Russland ansässigen Nutzer [...] überwachen, permanent und automatisiert“ (Soldatow / Borogan 2012). Durch diese Überwachung können Behörden Website-Aufrufe, E-Mails und Chats „künftig mit geringem Aufwand mitschneiden oder gar manipulieren“ (ebd. 2012).

Die angesprochene Argumentation der ACTA-Gegner beachtet allerdings nur in geringem Maße die eingeschränkten Möglichkeiten und Rechte der Urheber von z.B. Filmen oder Musik. Schauspieler, Musiker, Produzenten, deren Auftraggeber und viele mehr sind von finanziellen Mitteln abhängig, um ihre Projekte zu finanzieren. Einen großen Teil dieser Finanzen beziehen sie beispielsweise aus dem Verkauf von Eintrittskarten und Tonträgern. Da das Internet mittlerweile viele neue Methoden der Informationsbeschaffung, wie z.B. Streams oder Downloads, geschaffen hat, droht eben beschriebenen Urhebern und ihren Rechten aus medienethischer Sicht ein weiterer Rückschlag. Die von ACTA-Gegnern beschriebene Freiheit im Internet könnte dazu führen, dass Rechteinhaber und andere ihre Tätigkeiten nicht mehr ausführen können, weil ihnen die finanziellen Mittel dazu fehlen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Vergleich mit anderen Medien und deren Nutzung. Während Tages-, Wochen- und Monatszeitungen als kostenpflichtige Medien anerkannt sind, wurde von ähnlichen Inhalten im Internet verlangt, dass sie kostenfrei sein sollen. Das gleiche Phänomen findet man in der Filmbranche. Kinobesuche sind als kostenpflichtiges Vergnügen anerkannt – sollte allerdings ein Stream mit dem gleichen Film verboten oder gelöscht werden, sehen ACTA-Gegner darin die Freiheit des Internets bedroht. Vielleicht muss sich das beschriebe Verständnis und die Zahlbereitschaft im Internet erst noch entwickeln? Oder sind traditionelle Medien und ihre Absatzmärkte überholt und können erst durch das Internet zu einem neuen Absatzmodell gebracht werden?

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Dass dies keine Fiktion mehr ist, zeigen neuste Entwicklungen. Folgt man den Ausführungen von Medien- und Kommunikationswissenschaftler Leif Kramp, dann wird „TV on demand“ (zu deutsch: „TV auf Abruf“) „die Veränderung eines bisher linearen Mediums zu einem digitalen Abrufmedium“ (Kramp 2012) einleiten und damit sogar einen Paradigmenwechsel anstoßen (vgl. ebd. 2012). Das Fernsehen von morgen würde sich demnach stärker der Musikwirtschaft und dem Buchhandel annähern. Die angesprochenen „kriminellen Kapriolen“ (ebd. 2012) durch illegale Streams und Downloads könnten durch Pay-TV-Angebote und On-Demand-Plattformen langfristig gelöst werden.

Auch hinsichtlich des Lobbyismus ergibt sich in Bezug auf diese medienethische Dimension ein weiteres Problem. Während Gegner von ACTA den Versuch der teilweise illegalen Einflussnahme durch Unternehmenslobbyisten verurteilten, wurde die mögliche Illegalität verschiedener Methoden der Informationsbeschaffung (Download, Stream, Kopie) nur selten thematisiert. Straftaten werden in diesem Kontext bislang nur selten als solche wahrgenommen. Ist das verantwortbar? Würde ein Abkommen wie ACTA da nicht tatsächlich einen Fortschritt bringen?

Nicht von der Hand zu weisen sind dennoch auch die zusätzlichen medienethischen Probleme, die sich durch ein Anti-Piraterie-Abkommen ergeben würden: Welches Unternehmen welcher Branche wählt welche Informationen im Internet aus, um sie dem Publikum zur Verfügung zu stellen? Ist dies eine Einschränkung der Meinungsfreiheit? Wie weit dürfen Originalquellen zusammengefasst, editiert und umformuliert werden? Welchen Einfluss nehmen Unternehmen damit auch auf die Politik und deren Informationsbeschaffung im Internet?

Sicherlich trägt vor allem die bisher weitgehend vorhandene Anonymität im Internet dazu bei, dass die Forderungen und Lösungsvorschläge verschiedener Interessengruppen so weit auseinander liegen. Zudem ist die Nachvollziehbarkeit der Verstöße im Internet immer noch sehr schwer.


ACTA-Verhandlungen: David gegen Goliath und umgekehrt


Die Verhandlungen rund um ACTA haben ein weiteres Mal gezeigt, dass Verfahren, Abläufe und Entscheidungen nicht nur medienethisch, sondern auch demokratietheoretisch Aufsehen erregen können.

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Dennoch wurde die Verhinderung von ACTA zu Recht als Akt der Demokratie gefeiert. Tausende Menschen haben ihr Meinung geäußert und sich damit kollektiv gegen die (Einzel-)Interessen einiger einflussreicher und finanziell wohlhabender Unternehmen und Verbände durchgesetzt.

Das wohl größte methodische Problem des Lobbyismus trat in diesem Zusammenhang ebenfalls zu Tage: Die Arbeit von Unternehmenslobbyisten gilt zwar als „legitime Form der Interessenvertretung“ (Kleinfeld et al. 2007: 10), jedoch fehlt ihnen die Legitimation durch das Volk. Während Politiker und Abgeordnete gewählt werden müssen, um an Gesetzesentwürfen mitarbeiten zu können, trifft dies auf Lobbyisten nicht zu.


Transparenz als Lösung?


Der Verlauf der Geschehnisse rund um ACTA hat gezeigt, dass mit steigender Transparenz die erfolgreiche Einflussnahme von einzelnen Partikularinteressen immer schwieriger wird. Wirkt Transparenz also dem Problem des Lobbyismus entgegen?
Auf der einen Seite mag mehr Transparenz zu mehr Wissen und damit vielleicht auch zu größerer Bürgerbeteiligung führen. Jedoch könnte dadurch auf der anderen Seite ein gänzlich neues Problem entstehen. Sollten Gesprächsinhalte und deren Partner dauerhaft veröffentlicht werden, könnte der Anreiz des professionellen Lobbyismus verloren gehen – und damit stünde die Politik vor einem neuen Problem: der Informationsbeschaffung.



Literatur & Online-Quellen:


Acta-blogger (2012): Informationen über das Urheber- und Patenrechts-Handelsabkommen ACTA. Verhandlungsverlauf, in: http://acta.blogger.de/stories/2029191/, zugegriffen am 04.11.2012.

Anonymous Hamburg (2012): ACTA Timeline, in: http://www.tiki-toki.com/timeline/entry/26886/ACTA-Timeline/#!date=2006-06-28_23:51:15!, zuegriffen am: 04.11.2012.

Borstel / Wetzel (2010): Vom großen Nutzen der Lobbyisten für die Demokratie, in: http://www.welt.de/politik/deutschland/article9934610/Vom-grossen-Nutzen-der-Lobbyisten-fuer-die-Demokratie.html, zugegriffen am 04.11.2012.

Europäisches Parlament (2012): ACTA - Die Rolle des Europäischen Parlaments, in: http://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/content/20120127STO36430/html/ACTA-Die-Rolle-des-Europ%C3%A4ischen-Parlaments, zugegriffen am 04.11.2012.

Fischer, Klemens (1997): Lobbying und Kommunikation in der EuropŠischen Union, Wien: Verlag
Österreich.

Handelsblatt (2012): ANTI-ACTA-PROTESTE. Tausende demonstrieren für Freiheit im Netz, in: http://www.handelsblatt.com/technologie/it-tk/it-internet/anti-acta-proteste-tausende-demonstrieren-fuer-freiheit-im-netz/6198724.html, zugegriffen am 04.11.2012.

Kleinfeld, Ralf/Zimmer Annette, et.al. (2007): Lobbying und Verbändeforschung. Eine
Einleitung, in: Kleinfeld, Ralf/Zimmer Annette, et.al. (Hrsg): Lobbying. Strukturen. Akteure.
Strategien., Wiesbaden: VS Verlag fur Sozialwissenschaften.

Knowledge Ecology International (2012): Who are the cleared advisors that have access to secret ACTA documents?, in: http://www.keionline.org/blogs/2009/03/13/who-are-cleared-advisors, zugegriffen am 04.11.2012.

Kramp, Leif (2012): Ich surf TV, in: http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ich-surf-tv, zugegriffen am 04.11.2012.

Leif, Thomas / Speth, Rudolf (2006): LOBBYISMUS. Die fünfte Gewalt, in: http://www.zeit.de/online/2006/10/lobbyismus, zugegriffen am 04.11.2012.

Leif, Thomas/Speth, Rudolf (2010): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland, in:
www.wdr.de/tv/monitor/dossiers/pdf/leif_speth_lobbyismus.pdf, zugegriffen am 30.08.2012.

LobbyControl (2012): ACTA – Geheimverhandlungen mit Lobbyisten, in: http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2012/02/acta-geheimverhandlungen-mit-lobbyisten/, zugegriffen am 03.11.2012.

Meister, Andre (2012): Wirtschaftsverbände bezeichnen ACTA-Proteste als “koordinierte Attacken auf demokratische Institutionen”, in: https://netzpolitik.org/2012/wirtschaftsverbande-bezeichnen-acta-proteste-als-koordinierte-attacken-auf-demokratische-institutionen/, zugegriffen am 04.11.2012.

Soldatow, Andrej / Borogan, Irina (2012): Neues Gesetz. Russland startet Totalüberwachung im Internet, in: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/internetzensur-russland-startet-schwarze-liste-fuer-websites-a-864903.html, zugegriffen am 04.11.2012.

Tagesschau (2012): Das ACTA-Abkommen. Kampf gegen Piraterie oder Zensur?, in: http://www.tagesschau.de/ausland/acta110.html, zugegriffen am 04.11.2012.

Zimmerling, Thomas (2012): Montag, 27. Februar 2012. Zahlen der Woche: EU-Lobbyismus und ACTA, in: http://publicaffairs.twoday.net/stories/64985111/, zugegriffen am 04.11.2012.